Nachdem wir uns in den letzten Tagen gut innerhalb unserer Expeditionsbasis eingelebt und die Umgebung schon gründlich auf links gedreht hatten, war es heute höchste Zeit, uns endlich etwas weiter vom Zeltplatz weg zu wagen. Ziel des Ausflugs: Ravensburg. Was manch einem Leichtmatrosen wie eine Weltumsegelung vorkam, waren in Wahrheit nur 6 Kilometer plus eine kurze Busfahrt, aber trotzdem bemühten wir uns, am Morgen zügig den Zeltplatz zu verlassen. Das stellte sich auch als großes Glück heraus, denn auf dem Weg sollten uns einige Ablenkungen erwarten. Noch vor der Mittagspause passierten wir einen Friedhof und manche meinten plötzlich ein fernes Wehklagen zu vernehmen… In der Tat scheinen 200 Jahre ruhelosen Umherwanderns ein valider Grund für eine gewisse Depression zu sein: Der Geist von John Franklin erbat verzweifelt Hilfe von unseren Entdeckern bei etwas, was sie ganz besonders gut können sollten, nämlich entdecken: Die Ungewissheit um den Verbleib seines Schiffes „Erebus“ hielt Franklin seit Jahrhunderten davon ab, seine Ruhe zu finden und es lag nun in unserer Hand, seine Seele zu befrieden. Die Geschichte, die Franklin erzählte, beruht auf wahren Begebenheiten und hört sich trotzdem unglaublich an: Franklin versuchte vor über 200 Jahren mit zwei Schiffen die Nord-West Passage zwischen dem Atlantik und dem Pazifik zu durchqueren. Sein Vorhaben scheiterte, beide Schiffe sanken, blieben jedoch verschollen. Erst in den vergangenen zehn Jahren wurden sie geborgen, die Erebus erst durch den Hinweis zweier Inuit, die einen Mast aus dem Wasser ragen sahen.
Und eben jene Inuit wurden auch heute zu wichtigen Verbündeten unserer Forscher auf der Suche nach der Erebus. Sie lieferten uns, ebenso wie ein Forscher und ein Meteorologe, auf dem Weg nach Ravensburg wichtige Informationen über den Standort der Erebus und nach und nach kristallisierte sich das Ziel unserer Expedition heraus: Unzweifelhaft war es ein Kanaldeckel in der Ravensburger Innenstadt, aus dem auch tatsächlich unverkennbar der Mast des lange verschollenen Schiffs ragte. Franklin war angesichts dieser Entdeckung mehr als aus dem Häuschen und die Kinder genossen die Ruhe nach stundenlangem Wehklagen in altmodischer Sprache. Nach der Arbeit kommt bekanntlich das Vergnügen und die Kinder wurden – verdientermaßen – mit einiger Zeit zu ihrer freien Verfügung in die Fußgängerzone entlassen. Für die ortansässige Gastronomie – speziell die Eisdielen – äußerte sich das in Form von anstürmenden Kinderhorden und klingelnden Kassen.
Mit der Rückkehr auf den Platz kam auch die Erschöpfung nach einem anstrengenden Tag und wir beschränkten uns deshalb auf ein eher ruhiges Programm: Zuerst wurde das BE „Jesus der Zauberer“, bei dem sich die Kinder am Vortag Gedanken über globale Probleme und Lösungsansätze machten, besprochen und danach starteten wir in die lange Gute-Nacht-Runde. Dabei durften die Kinder sich Mitarbeiter, die nicht ihrer ZG zugeteilt sind, als Besuch wünschen. Endprodukt war ein munteres und geselliges Hin und Her zwischen den Zelten. Danach konnten unsere Leichtmatrosen mit dem beruhigenden Gefühl, dass John Franklin durch ihre Hilfe endlich seinen Frieden gefunden hatte, friedlich einschlummern.